Paul Auster: Die New York – Trilogie

Stadt aus Glas / Schlagschatten / Hinter verschlossenen Türen

Stadt aus Glas

„Quinn war es gewohnt zu gehen. Seine Wanderungen durch die Stadt hatten ihn gelehrt, die Verbundenheit von Innerem und Äußerem zu verstehen. Indem er die ziellose Bewegung als Umkehrtechnik anwandte, konnte er an seinen besten Tagen das Äußere nach innen bringen und so die Souveränität des Innerlichen gewinnen. Indem er sich mit Äußerlichkeiten überflutete und sich aus sich selbst herausschwemmte, war es ihm gelungen, einen kleinen Grad von Kontrolle über seine Anfälle von Verzweiflung auszuüben. Wandern war daher eine Art von Geistesleere.“

Schlagschatten

„Blue ist es nicht gewohnt stillzusitzen, und durch diese neue Untätigkeit fühlt er sich irgendwie verloren. Zum erstenmal in seinem Leben stellt er fest, daß er ganz auf sich selbst angewiesen ist, ohne etwas, was er mit den Händen fassen kann, was einen Augenblick vom nächsten unterscheidet. Er hat über die Welt in seinem Inneren nie viel nachgedacht, und obwohl er immer wußte, daß sie da war, blieb sie eine unbekannte Größe, unerforscht und daher dunkel, sogar für ihn selbst. Er hat sich rasch über die Oberflächen der Dinge hinwegbewegt und hat, solange er sich erinnern kann, seine Aufmerksamkeit nur diesen Oberflächen zugewandt, die eine wahrnehmend und dann zur nächsten übergehend, und er hat immer Freude an der Welt als solcher empfunden und von den Dingen nicht mehr verlangt, als daß sie da sind.“

Hinter verschlossenen Türen

„Wenn ich jetzt an diesen Moment denke, bin ich versucht, die traditionelle Sprache der Liebe zu gebrauchen. Ich möchte in Metaphern von Glut sprechen, von Brennen, von Barrieren, die angesichts von unwiderstehlichen Leidenschaften schmolzen. Mir ist bewußt, wie übertrieben diese Formulierungen klingen, aber letzen Endes glaube ich, daß sie zutreffen. Alles hatte sich für mich verändert, und Worte, die ich zuvor nie verstanden hatte, ergaben plötzlich einen Sinn. Das kam wie eine Offenbarung und als ich endlich Zeit hatte, sie in mich aufzunehmen, fragte ich mich, wie ich so lange hatte leben können, ohne diese einfache Sache zu lernen. Ich spreche nicht so sehr von Verlangen als vielmehr von Wissen, von der Entdeckung, daß zwei Menschen durch das Verlangen etwas schaffen können, was mächtiger ist als alles, was jeder für sich allein schaffen kann. Ich glaube, dieses Wissen veränderte mich und bewirkte, daß ich mich menschlicher fühlte. ich begriff allmählich, daß ich, indem ich Sophie gehörte, ebenso auch allen anderen gehörte. Mein wahrer Platz in der Welt war irgendwo jenseits meines eigenen Ichs, und wenn dieser Platz in mir selbst war, so war er doch unbestimmbar. Dies war das winzige Loch zwischen Selbst und Nichtselbst, und zum erstenmal in meinem Leben sah ich das Nirgendwo als Zentrum der Welt.“


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