Anreise
Meine Reise nach Israel kam gleich mit zwei „Ersten-Malen“ in meinem Erwachsenenleben daher.
Mit zehn Jahren ging es für mich schon einmal allein auf Reisen und zwar nach Paris. Das war katastrophal, weil ich viel zu jung war und nicht wirklich aus eigenem Entschluss auf diese Reise ging. Dieses Mal waren die Voraussetzung ganz andere. Ich will schon seit ich 15 bin nach Israel und wenn es auch etwas unverhofft dazu kam, so freute ich mich doch sehr diese Reiseerfahrung allein erleben zu können.
Als Kleinkind lebte ich durch die Arbeit meines Vaters in Mosambique, war aber seitdem bei meinen Reisen nicht mehr über die Grenzen Europas hinausgekommen. Nun war es aber so weit und ich war dabei, den unsichtbaren Bannkreis zu durchbrechen.
An einem Dienstag ging es los und mit meinem Rucksack bepackt machte ich mich halb fünf morgens auf zum Flughafen Schönefeld.
Durch die Sicherheitskontrollen ging es schnell und routiniert und nachdem ich meine Wasserflasche aufgefüllt und mir einen Kaffee gekauft hatte, machte ich mich auf zum Gate.
Hier gab es dann eine Passkontrolle, die sonst ja nicht üblich ist und durch die durfte ich auch erst, als ich meine Flüssigkeiten in mich hinein gegossen hatte. Denn nach der Passkontrolle gab es einen weiteren Sicherheitscheck, bei dem keine Flüssigkeiten mitgeführt werden durften. Dahinter war dann der Warteraum und als das Boarding abgeschlossen war, ging es ins Flugzeug. Der Flug war nicht ausgebucht und so gab es eine ganze Weile ein wildes Platztauschspiel, bis die FlugbegleiterInnen sich durchsetzten und es losgehen konnte. Der Zufallgenerator von EasyJet hatte mir einen Fensterplatz zukommen lassen und so durfte ich einen wunderschönen Sonnenaufgang beobachten.



Der Flug nach Tel Aviv von Berlin aus dauert etwas mehr als vier Stunden und ich verbrachte die Zeit damit, aus dem Fenster zu schauen, Serie zu schauen und zu schlafen.
Um halb eins Ortszeit – in Israel ist plus eine Stunde Zeitunterschied zu Deutschland – landeten wir sehr geschmeidig trotz Windböen in Tel Aviv.

Ich ging zur Passkontrolle und stellte mich in einer der vier Reihen an. Die vierte Reihe löste sich dann plötzlich auf, weil doch niemand in dem Kontrollhäuschen saß und stellte sich eine Reihe weiter an. Als da dann nach kurzer Zeit der Kontrollmensch einfach ging, war die Irritation gross und es gab weiteres Reihen-Hopping. Mein Lächeln darüber erfreute anscheinend die zwei buddhistisch aussehenden Mönche hinter mir, denn sie sprachen mich an und wir kamen ins Gespräch. Währenddessen fielen einer Frau in der Reihe neben uns lauter kleine Teile herunter. Als ich mich bückte, um ihr beim Aufheben zu helfen, rutschte sie direkt hinterher auf den Boden und saß dann da und sah gar nicht gut aus. Es stellte sich dann heraus, dass sie Deutsche war und Diabetikerin. Sie wollte sich den Blutzucker messen und braucht dafür eines dieser Teile, die nun zigfach auf dem Boden verteilt lagen. Während wir diese Dinger aufsammelten, fragte ich sie, ob sie Hilfe brauche, was sie verneinte und meinte, dass ginge ihr immer so, wenn sie nach Israel fliege – es sei alles gut mit ihr. Das ist so merkwürdig und schwer für mich damit um zu gehen, wenn es jemanden offensichtlich nicht gut geht und er sagt: nein, nein, alles gut.

Als wir alle Teile aufgesammelt hatten, half ich ihr mit Unterstützung des englischen Ehepaares hinter ihr wieder auf die Beine. Den Engländern erklärte ich dann die Situation, da sie ziemlich besorgt waren. Als die Frau immer wieder zu taumeln begann und so auch Richtung Kontrollschalter zutaumelte, sprach der Mann einen Sicherheitsmenschen an und diese nahm die Frau dann mit… was weiter mit ihr geschah weiss ich nicht und ich dachte auch ab da nicht mehr drüber nach, da ich dran war mit der Kontrolle und dann ziemlich verpeilt dort stand und die Fragen nur stotternd beantworten konnte. Es wird ein kurzes Interview geführt, damit eine Aufenthaltsgenehmigung ausgestellt werden kann. Bei mir kamen Fragen wie: Sind Sie das erste Mal in Israel? Wo werden Sie wohnen? Ist das eine Urlaubsreise?. Mir wurde aber gesagt, dass da eher auf die Art und Weise, wie man reagiert und antwortet, denn auf die Antworten an sich geachtet wird. Ich stand jedenfalls ein bisschen länger da als die anderen, aber durfte dann doch durch.
Und dann war ich da! In Israel bei sommerlichen Temperaturen zwischen Palmen. Ich ging erst einmal vor den Flughafen und setzte mich hin und war glücklich.
Dann hob ich Geld ab und entschied mich, mit dem Zug nach Jerusalem zu fahren. Es ist alles sehr gut ausgeschildert beim Flughafen, nur das Bedienen des Geld- und Ticketautomaten war erstmal schwierig, da das Schriftbild so anders und fremd für mich war und ich schon lange brauchte, um erstmal rauszukriegen, wo man die Sprache ändern kann. So wurde alles etwas knapp – der Zug fährt nur alle halbe Stunde – aber gerade rechtzeitig noch hüpfte ich in den Zug hinein.
Eine knappe halbe Stunde fuhr ich nun durch Israel und saß letztendlich die ganze Zeit über da, schaute aus dem Fenster und schwelgte im Glück.
Als ich in Jerusalem, genauer bei der Station Yitzchak Navon ankam, musste ich ewig Rolltreppe fahren, um wieder an die Oberfläche zu kommen. Und dann war ich drin – mitten im Getümmel. Ich hatte vor einiger Zeit die Serie Shtisel geschaut und genau so, wie dort, sah es nun aus. Ich fühlte mich direkt in die Serie reinversetzt.

Nun galt es ein Ticket für die Tram zu ziehen. Es gibt in Jerusalem nur diese eine Linie, vier weitere sind aber in Planung. Am Fahrkartenautomaten wurde ich durch das ganze Prozedere von einer älteren Israelin geführt, die mir dann auch im weiteren groß und breit erläuterte, wie das Fahrkartensystem in Jerusalem funktioniert. Schließlich kam die Tram und ich entwertete meinen Fahrschein und verbrachte die Fahrt damit aus dem Fenster zu schauen und dabei leise die Stationsnamen, die angesagt wurden, vor mich hin zu murmeln, um ein Gefühl für das Hebräische zu bekommen. Überall sah ich Männer und Frauen mit Gewehren stehen, was hier eben völlig zum Straßenbild gehört, für mich aber bis zum Schluss sehr merkwürdig war. Auch zum selbstverständlichen Straßenbild gehören die orthodoxen Juden mit ihrem dunklen, langen Mantel, ihrem Hut, den Ringellocken und der Plastiktüte in der Hand. Ihr Erscheinungsbild strahlte sehr viel Ruhe auf mich aus.

An „meiner“ Station angekommen, irrte ich erstmal etwas herum und fand dann aber den Weg zu meiner Gastfamilie.

Den Rest des Tages verbrachte ich mit ihnen, spielte mit den Kindern, quatschte mit der Gastgeberin, ging mit auf den nahegelegenen Spielplatz und kam erstmal an.

Ich wohnte in Ostjerusalem, welches seit 1948 von Jordanien besetzt war und 1967 im Sechstagekrieg von Israel erobert wurde. Während für Israel Ostjerusalem zum vereinigten Jerusalem gehört, werden die im Ostteil lebenden Palästinenser jedoch nicht als Bürger anerkannt, sondern sind nur sogenannte Residenten. Damit geht ein Fehlen von politischen Rechten einher – sie dürfen nicht an Parlamentswahlen teilnehmen und der Status kann ihnen jederzeit entzogen werden und zwar dann, wenn nicht nachgewiesen werden kann, dass man dauerhaft in Jerusalem lebt.
Überall sieht man Baulöcher, die vom Abriss palästinensischer Häuser stammen. Diese Häuser wurden zu einer Zeit errichtet, als es noch keine Baugenehmigung gab. Dies nehmen die Israelis als Grund, sie abzureißen und damit nehmen sie eben auch den Palästinensern die Wohnung und den Aufenthalt.
Jeden Freitag findet sich eine sehr kleine Gruppe zusammen und demonstriert gegen diese Art der Okkupation.
So bekam ich durch diese Erzählungen meiner Gastgeberin und durch die Eindrücke vom Strassenleben gleich einen ersten Eindruck von der Zerrissenheit, aber auch von der Vielfalt Jerusalems.
Ich schlief sehr glücklich und erfüllt ein und wachte gegen halb vier durch den Ruf des Muezzin auf, dem ich dann bis zum Schluss lauschte, bevor ich wieder einschlief.
Tag 1
Ich stand früh auf, da ich die Kinder mit zur Preschool bringen und mir dort alles zeigen lassen wollte. Direkt nach dem Aufstehen über die Stadt schauen zu können, erfüllte mich schon am Morgen mit Glück.

Im Auto freute ich mich sehr über die Datums- und Temperaturanzeige: so warmes Wetter habe ich sehr selten an meinem Geburtstag.

Die Kita liegt im Westteil Jerusalems und ist christlich geprägt. Es wird hier nach dem englischen System gearbeitet, was bedeutet, dass eigentlich nur in der Nursery ein Kindergartenleben stattfindet, wie wir es hier in Deutschland kennen. Kinder über drei Jahren haben dann schon einen sehr klar aufgeteilten Tag mit Schulstunden und Hausaufgaben und relativ wenig bis gar keine Freispielzeit. Es wirkte aber alles sehr angenehm und offen in dieser Einrichtung und als ich mir alles angesehen hatte, setzte mich meine Gastgeberin am Mahane Yehuda Market ab.
Hier wurde gerade noch ob der frühen Uhrzeit aufgebaut und ich fühlte mich auch kurz völlig überwältigt davon, dass ich jetzt wirklich mit einem ganzen leeren Tag vor mir allein mitten in Jerusalem stehe. Also suchte ich mir eine einigermaßen ruhige Straßenecke und sortierte mich erstmal.
Dann lief ich alle Eindrücke in mich aufsaugend die Agripas Street bis zur City Hall entlang und setzte mich dort auf die Treppen und aß einen Snack zum Frühstück. Anschließend wechselte ich den Platz noch einmal auf eine Bank in einem nahegelegenen Grünstreifen und plante, wie es weitergehen sollte.

Ich lief zur Altstadt und betrat sie durch das New Gate. Die Altstadt ist vollständig von 4000 m Stadtmauer umgeben, welche man durch sechs Tore betreten kann – das Damaskustor und das Löwentor im muslimischen Viertel, das Neue Tor und das Jaffator im christlichen Viertel, das Dungtor an der Klagemauer und das Zionstor im armenischen Viertel.
Ich lief also etwas durch das christliche Viertel und spürte sogleich das Alte der Altstadt – kleine verwinkelte Gassen schlängeln sich hierhin und dorthin. Mein Ziel war die Grabeskirche, die bei den Erzählungen im Reiseführer so spannend erschien, sollten es doch eigentlich 32 Kirchen, Kapellen und Altäre auf verschiedenen Ebenen sein und dazu noch ein äthiopisches Dorf auf dem Dach – das musste ich mit eigenen Augen sehen.

Durch eine kleine Gasse kam ich auf den Vorplatz der Kirche. Ich war extra früh hier, da es wohl im Verlauf des Tages richtig voll werden sollte.

Als ich die Kirche betrat, bog ich intuitiv erstmal gleich links ab und erklomm die steile Treppe. Auf dem Torbogen über der Treppe stand Golgatha und da wurde mir erst wirklich klar, wo ich hier bin. Etwas ehrfürchtig ging ich nach oben und staunte über alles, was ich sah.


So ging ich dann auch weiter durch die Kirche, mal hierhin, mal dorthin, nach oben, nach unten und staunte alles an. So richtig einen Überblick bekam ich nicht und alles war einfach nur viel, auch den Zugang zum äthiopischen Dorf fand ich nicht. Aber ich spürte so viel, das mag nun einer Einbildung nennen oder auch nicht, aber für mich fühlte sich der Ort sehr besonders und anziehend an.



Nach ein zwei Stunden bin ich dann wieder raus und setzte mich im muslimischen Viertel nebenan auf eine Bank und verarbeitete.

Dann lief ich durch das muslimische Viertel, was irgendwie aus einem Marktstand nach dem anderen besteht und ließ mich durch die Gassen treiben. Alles hörte sich so fremd an hier, roch so ungewohnt und intensiv, war bunt und laut – ein Fest der Sinne. Schließlich ließ ich mich zum Damaskustor treiben. Hier sollte auch der Ort der Altstadt sein, wo es hin und wieder zu Vorfällen kommen kann. Ende Mai diesen Jahres gab es hier zumindest einen Messerangriff. Das aufregendste bei mir waren die Transportwagen, die den Berg vom Damaskustor im Affentempo und laut hupend durch die Menschenmassen herunter polterte. Die Marktschreier taten ihr Bestes, um gehört zu werden und der ein oder andere hatte sich sogar auf Band aufgenommen und ließ ein Megaphon seine Arbeit tun.
Vor dem Damaskustor wandte ich mich dann nach links und ging außen an der Stadtmauer zum Jaffator. Auf dem Platz vor dem Tor saß ein Musikant und spielte fremdartige Melodien und von der Brücke aus hatte ich einen schönen Blick auf die Windmühle Montefiore, 1862 vor den Toren der Altstadt errichtet wurde.
Dann ging ich wie einst Kaiser Wilhelm II. durch das Jaffator und hatte sofort den Eindruck, dass es hier viel touristischer zugeht als im Rest der Altstadt.

Nachdem ich für mein körperliches Wohl in Form von einer Toilette – mit öffentlichen, kostenfreien Toiletten ist Jerusalem gut ausgestattet – und Essen – eine mit Salat gefüllte Pita – gesorgt hatte, kaufte ich mir direkt neben dem Jaffator ein Ticket für die Stadtmauer. Es gibt eine nördliche und eine südliche Route, da man aufgrund des Sperrgebiets um die Klagemauer und den Felsendom nicht die ganze Runde drehen kann. Die nördliche Route ist länger und hat vielfältigere Aus- bzw. Einblicke, das Ticket für beide Route ist aber in jedem Fall sehr günstig.

Ich begann mit der nördlichen Route und lief die Stadtmauer entlang, was auch das Bewältigen ziemlich steiler Treppen mit hohen Stufen beinhaltete. Zuerst lief ich so am christlichen Viertel entlang übers Neue Tor bis zum Damaskustor. Dort verweilte ich eine ziemliche Weile, da der Muezzin seinen Gebetsruf begann und das zusammen mit dem Ausblick auf die Altstadt und den Felsendom schon sehr beeindruckend war.

Nach dem Damaskustor begann dann das muslimische Viertel. Durch den Blick von oben auf die Altstadt begann ich nun auch langsam deren Geographie zu verstehen und langsam ergab das Wirrwarr einen Sinn. Auch zur anderen Seite waren die Ausblicke schön und interessant. Hinterm Löwentor dann war das Ende der Route und als ich unten angelangt war, stand ich mitten drin im muslimischen Viertel. Hier gab es kaum Stände und es wirkte viel weniger touristisch. Dafür zogen Jungenbanden durch die Straßen, die anscheinend gerade Schulende hatten, neckten die älteren Jungen und jungen Männer und wurden von diesen mit viel Geschimpfe vertrieben. Schließlich landete ich wieder im nun schon vertraut wirkenden Marktgetümmel und lief kreuz und quer die Straßen entlang. Hierbei wurde ich mehrmals angesprochen von den herumstehenden Händlern. Woher ich komme? Aus Berlin! Ah Berlin, toll! Du hast schöne Augen! Du bist sehr schön! Brauchst du Hilfe? Wenn du da und da hin gehst, ist es schön! Solche Sätze fielen da und obwohl ich darauf wartete, wann sie dazu kamen, mir etwas verkaufen zu wollen, geschah das nie. Sie waren immer sehr nett, schmeichelnd aber nie aufdringlich. Und gerade an meinem Geburtstag freute ich mich besonders über die Komplimente.
Ich schaute mir das Löwentor an und ging die Via Dolorosa, den Prozessionsweg durch die Altstadt, entlang. Dann landete ich im jüdischen Viertel und fühlte mich da sofort sehr wohl. Auf der Suche nach einer Mahlzeit kam ich an einen sehr angenehm wirkenden Ort und kaufte mir dort eine vegane Pita, die sehr, sehr lecker und ziemlich scharf war. Ich aß sie auf ein paar Stufen sitzend und um mich herum saßen Schulmädchen und verspeisten ihr Mittagessen. Auf der Straße waren viele Väter in orthodoxer Kleidung mit ihren kleinen Kindern unterwegs. Auch ältere Geschwisterkinder sah ich mit kleineren umhergehen. Es wirkte alles sehr friedlich und zugleich lebendig.
Von hier aus ging ich zurück zum Jaffator. Auf dem Weg dahin wurde ich angesprochen von einem orthodoxen Juden, der nach dem üblichen Woher kommst du? und Du bist schön! mich einlud eine Synagoge anzuschauen und zwar mit den Worten: Ich helfe dir und du hilfst mir! Das fand ich aber irgendwie so unangenehm bzw. fand ich den freien Eintritt zu allen religiösen Sehenswürdigkeiten bisher so gut, das ich verneinte. Nachdem ich das ein paar Mal tat, ließ er dann auch von mir ab und ich ging weiter.
Beim Jaffator angekommen suchte und fand ich dann den Eingang zur südlichen Route auf der Stadtmauer. Diese führt zu Beginn am armenischen Viertel entlang und offenbart außerhalb der Stadtmauern einen schönen Blick auf den armenischen Friedhof.

Beim Zionstor beginnt dann das jüdische Viertel und ich hatte einen wunderbaren Blick auf Felsendom auf der einen und Ölberg und Weite auf der anderen Seite.


Am Ende der Route gelangt man dann in wenigen Schritten zum Dungtor und zur Klagemauer. Direkt vor dem Eingang zur Klagemauer kann man links abbiegen und über einige Treppenstufen wieder ins jüdische Viertel gelangen. Das machte ich auch und wurde dabei von Klarinettenklängen und dem Scheppern der Almosenbitter begleitet.

Eigentlich wollte ich noch das armenische Viertel anschauen, war aber so voll mit Eindrücken und auch schon recht viel gelaufen, dass ich durch das jüdische Viertel schlendernd – inzwischen spielten hier an gefühlt jeder Ecke Kinder allen Alters mit Bällen – ins muslimische lief und dort durch das Damaskustor die Altstadt verließ.
Nun ging es eigentlich immer geradeaus wieder zurück zur Wohnung.
Da angekommen füllte diese sich rasch und plötzlich waren zwei weitere Kinder da, die mit ihren Müttern durch die Wohnung tollten und auf dem Boden herum kullerten und dann kam auch noch der Mann, das Baby und die Schwiegermutter der einen hinzu. Und so saß ich an meinem Geburtstag mit Menschen aus Korea, Deutschland und Norwegen in Israel am Tisch und wir quatschten auf Englisch über Kinder, Holocausmahnmale und noch dies und das. Ich fühlte mich reich beschenkt.
Als alle Gäste gegangen waren und die Kinder im Bett lagen, unterhielten wir uns bei einer Flasche Wein über Eltern und Kindheit und schließlich ging ich sehr erfüllt vom Tag und all den Begegnungen ins Bett. Das Fenster ließ ich diesmal geschlossen – Muezzingesänge hatte ich heute genug gehört.

Tag 2
Nach einer erholsamen Nacht wachte ich heute etwas später auf. Die Kinder waren schon in der Kita und die Gastgeber schon auf Arbeit bzw. am Arbeiten am Esstisch. Ich machte mich also fertig und aß eine Kleinigkeit und zog kurz nach neun los zur Tram. Ziel war der Mount Herzl, eine der Endstationen der Linie.

An diesem Morgen – oder vielleicht auch immer in Jerusalem – fiel mir die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft auf, mit der sich hier alle begegnen. Die Tram war sehr voll, aber sobald jemand einstieg, der irgendwie so aussah, als bräuchte er jetzt einen Platz zum Sitzen sprang immer sofort jemand auf. Durch die Enge kamen die Menschen auch oft nicht zum Ticketentwerter, gaben aber einfach ihre Fahrkarte an den Nachbarn und der wiederum weiter bis die Menschen am Gerät sie entwerteten und die Fahrkarte den Weg zurück zu ihrem Besitzer antrat. Während meiner Fahrzeit wurde ich zweimal kontrolliert. Es gab auch immer Menschen, die keine Fahrkarte hatten, aber diese wurden einfach gebeten auszusteigen und das war’s. Immer wieder entstanden Gespräche, meist zwischen Touristen und Einheimischen. Die Israeli sprachen munter die Touris an und als diese dann ausstiegen, redeten sie mit dem nächstbesten, der das Gespräch mitverfolgt hatte, weiter. Immer wieder dann auch die Armeemenschen mit Gewehr zwischen all den anderen und ich ertappte mich immer wieder dabei, wie ich das Gewehr anschaute und dachte: damit werden Menschen getötet und es hängt hier mitten zwischen uns…

Schließlich kam ich beim Mount Herzl an und genoss erstmal den Ausblick.

Von hier aus machte ich mich auf den kurzen Fußweg nach Yad Vashem, einer Gedenkstätte für den Holocaust. Diese Stätte ist ein komplexes Areal bestehend aus mehreren Mahnmalen und Ausstellungen und zudem findet hier auch Forschung und Weiterbildungmöglichkeiten ihren Ort.

Der Eintritt ist kostenfrei. Nachdem ich das Infocenter durchgequert und dort meinen Rucksack in der Garderobe abgegeben hatte, ging ich nicht gleich zum Hauptteil der Ausstellung, sondern bog in den Garten ab, um erstmal anzukommen. Und prompt landete ich beim Janusz Korczak Platz, der im Blog von mir hier schonmal als einer meiner “Helden” benannt wurde. Hier saß ich eine Weile und dachte über diesen Menschen nach und seine Hingabe an seinen Beruf und die Kinder, die in seiner Obhut standen.

Dann war ich soweit und ging in das Museum zur Geschichte des Holocaust. Die Ausstellungsräume liegen größtenteils unterirdisch. Das Gebäude ist in Form eines Keils gebaut und bohrt sich quasi durch den Berg, nur die oberste Kante schaut in Form eines Tageslichts aus dem Berg heraus. Von diesem Keil gehen rechts und links Räume ab, die man im Zickzack begehen kann. Sehr langsam und ausführlich wird die Geschichte von der Zeit nach dem ersten Weltkrieg beginnend, erzählt und gezeigt. Ich habe noch nie eine so umfassende Ausstellung zu dem Thema gesehen und auch wenn ich vieles dazu weiß, hat mir die Art der Aufbereitung wieder einmal neue Eindrücke und Erkenntnisse verschafft.

Wirklich beeindruckend und sehr berührend und erschütternd fand ich die vielen Aufnahmen von Zeitzeugen und die Filmaufnahmen von Geschehnissen. Ich war mehrere Stunden nur in diesem Teil des Mahnmals unterwegs und war im Anschluss so voll mit Empfindungen und Gedanken, dass ich erstmal ne Weile nur da saß und auf die Landschaft schaute.



Ich ging dann im Restaurant im Untergeschoss des Info-Centers etwas essen und anschliessend durchstreifte ich den Garten. Dabei sah ich die Gedenkhalle…

… und die Kindergedenkstätte.

Man wird, wie in einen Tempel von aussen ins Tiefe und Dunkle geführt und dort erhellen fünf Kerzen den Raum. Da aber überall Spiegel sind, scheint es so, als sei man in einem Sternenhimmel. Eine Stimme nennt die Namen aller Kinder, die Gestorben sind und auch ihr Alter und den Ort und wechselt dabei zwischen Englisch, Hebräisch und Jiddisch. Es brauchte wohl drei Monate bis alle Namen einmal genannt werden.
Danach trank ich noch einen Kaffee, hatte eine kurze Begegnung mit einer Krähe und machte mich wieder auf den Weg zur Tram. Mit der ging es einmal durch die Stadt und dann zu Fuß zur Wohnung zurück.
Als mein Gastgeber von der Arbeit kam, verfrachteten wir uns alle fünf ins Auto und fuhren zum Mahane Yehuda Market. Diesen durchliefen wir einmal und fanden dann nahebei ein Restaurant, in das wir einkehrten. Da es, obwohl noch nicht mal sieben, überall schon sehr voll und belebt war, nahmen wir draussen und einer Wärmelampe Platz. Es gab Burger und Sandwich, Onionrings und Pommes. Mir schmeckte es sehr gut. Der Laden war koscher. Für mich als Veganerin besonders interessant ist dabei die Unterscheidung zwischen fleischigen und milchigen Speisen. Der gleichzeitige Verzehr von diesen beiden Lebensmittelgruppen ist beim koscheren Essen untersagt. Es wird sogar in getrennten Küchen oder zumindest mit völlig getrennten Kochutensilien gekocht. Dadurch kann ich bei vielen Gerichten durch das Weglassen des Fleisches ein veganes Mahl bekommen. In diesem Laden gab es aber sogar einige vegane Gerichte auf der Speisekarte. Ich fand es sehr schön mit der Familie mitten im Strassengeschehen zu sitzen und es fühlte sich schon wieder einmal alles sehr lebendig und gut an.

Auf dem Nachhauseweg wurde sich an einem der vielen Süßigkeitsständen mit Naschzeug eingedeckt. Zu Hause zog ich mich dann erfüllt von all den Eindrücken vom Tag früh in mein Zimmer zurück.
Tag 3
Am letzten ganzen Tag in Jerusalem, wollte ich den Ölberg besteigen und noch einmal die Grabeskirche besuchen.

Daher ging es halb acht los. Ich wollte von der Wohnung nicht direkt in die Altstadt oder zum Ölberg, sondern erstmal zum Mount Scopus.

Ich hatte mir mein Frühstück eingepackt und machte mich bei herrlich schönem und schon sehr warmen Wetter auf den Weg.
Auf dem Berg liegt die Hebräische Universität Jerusalems. Man hat sowohl zur Stadt als auch zum Hinterland einen wunderbaren weiten Blick. Als ich quasi oben angekommen war, eröffnete sich mir zu erst ein Blick auf die „andere“ Seite vom Berg herunter.

Und ein Stück weiter dann, den Reisebussen folgend fand ich den Ausblick nach Jerusalem. Hier war es ob der frühen Uhrzeit noch sehr ruhig und ich packte mein kleines Picknick aus und verzehrte es mit Blick auf den Felsendom.

Nach einer ganzen Weile ging ich weiter. Es war inzwischen so warm, dass ich im T-Shirt lief. Ich kam an der Wall of Life vorbei – eine Mauer, die sich wie eine Art Schneckenhaus zusammenrollt, auf der viele, viele Namen samt Exilort von Überlebenden stehen.
Eigentlich wollte ich dann gleich um die Kurve, meine Neugier trieb mich aber noch eine kleine Anhöhe hinauf. Und wieder einmal war ich ihr sehr dankbar dafür, da ich so einen der schönsten Momente meiner Reise erleben konnte.
Ich kam an einen Ort mit einem so schönen Ausblick Richtung Totes Meer, der zu dem noch völlig einsam da lag.

Hier verweilte ich wiederum eine ganze Zeit, machte Fotos und trank den Ausblick in vollen Zügen.

Dann ging es weiter zum Ölberg. Ich kam nun von oben zu ihm und der erste Ort, den ich mir anschaute war die Kapelle der Himmelfahrt. Am Ölberg, so die Geschichte, die sich alle drei Religionen hier erzählen, werden am jüngsten Tag zwei Brücken das Tal überspannen, an dessem anderen Ende Gott als Richter sitzt. Über die eine Brücke, die aus Eisen gemacht ist, gehen alle Sünder und stürzen ab, über die andere aus Papier alle guten Menschen und gelangen so in den Himmel. Damit sie ganz nah am Ort des Geschehens sind, entstand hier nach und nach ein riesiger jüdischer Friedhof und eben die Kapelle der Himmelfahrt, neben der direkt die Moschee dazu steht.

Es irritiert und belustigt mich immer wieder, dass die Menschen immer noch davon ausgehen, das Gott ein Richter sei. Gibt es denn irgendetwas menschlicheres als über andere zu richten? Das macht doch sonst niemand auf der Welt. Und während es Sünde sein soll, von Gott Götzen zu erstellen, scheint es keine zu sein, Gott mit dem in dieser Hinsicht am unentwickeltsten Wesen zu vergleichen. Meiner Meinung nach kann Gott kein Gott sein, wenn er Richter ist… aber naja, da soll mal jeder denken, was er will.

Neben der Moschee hatte ich dann man einziges Erlebnis auf dieser Reise, bei der ich mich sehr unwohl fühlte und auch etwas ängstigte. Das hatte aber nichts mit Israel und Politik zu tun, sondern mit der Tatsache, dass ich als Frau alleine reise. Ein junger Andenkenverkäufer belagerte mich sehr ausdauernd während ich in die Kapelle ging und wieder heraus kam und ging so weit, dass er mich begrapschte. Danach brauchte ich etwas, um wieder bei mir anzukommen. Ich saß daher sehr lange auf dem Ölberg und schaute einfach nur übers Tal und den Touristen zu.
Schließlich ging ich bergab und kam am jüdischen Friedhof vorbei und ging kurz auf das Gelände der Dominus flevit, einer kleinen römisch-katholischen Kirche, auf der auch prompt im Freien eine Art Gottesdienst stattfand. Da inzwischen der Muezzin wieder angefangen hatte zu rufen und der jüdische Friedhof immer noch zu alle Seiten hin lag, war das wieder einmal einer diesen abgefahrenen Momente in Jerusalem, wo alles aufeinander trifft.

Ich ging an der russisch-orthodoxen Maria-Magdalena-Kirche vorbei, deren goldenen Kuppeln schon weithin sichtbar waren, die aber heute leider geschlossen hatte und kam schließlich zum Garten Gethsemane. Auch jetzt, bei mir zu Hause sitzend, ist es für mich völlig unwirklich, diese Namen zu nennen und zu schreiben, die ich immer nur aus der Bibel kannte und Geschichten waren aber nicht Orte, an denen ich wirklich sein könnte – aber Ha! Ich war da!.
Gethsemane ist der Ort, an dem Jesus von Judas verraten wurde. Heute ist es ein kleiner quadratischer Garten mit wunderschönen Ölbäumen, den man einmal außen herum umlaufen kann.

Direkt daneben liegt die Kirche der Nationen, die ich mir von innen ansah und die mir sehr gefiel.

Sie heißt Kirche der Nationen, da sie 1924 mit Hilfe von Geldern aus zwölf Ländern errichtet wurde. Der Innenraum ist dunkel und fast alle halten sich an das Stillegebot, daher ist es auch schön ruhig hier drin.


Dann war ich am Fuße des Ölbergs angekommen und stand vor der Stadtmauer der Altstadt. Heute war Freitag und das ist in Jerusalem ein besonderer Tag. Es war kurz vor Mittag und aus allen Richtungen gingen in losen Gruppen und in gemächlichem Tempo muslimische Männer und Jungen in Richtung der Moscheen in der Altstadt. Besonders die al-Aqua-Moschee auf dem Tempelberg wurde angesteuert, gilt sie doch als die drittwichtigste Moschee des Islams.

Um da nicht irgendwie in die Quere zu kommen, entschied ich mich nicht durch das Damaskustor oder Löwentor, also ins muslimische Viertel zu gehen, sondern wanderte außen herum bis zum Dungtor.
So hatte ich auch noch einmal einen schönen Überblick über den Ölberg und meinen bisherigen Weg.

Kurz vor dem Dungtor lag linker Hand die Davidsstadt. Dies ist der älteste besiedelte Teil der Stadt. Die Davidsstadt gehört zu dem Teil, der von 1948 bis 1967 unter jordanischer Herrschaft stand. Während dieser Zeit haben sich hier sehr viele Palästinenser angesiedelt. Da es aber für die Israelis quasi der Ursprung von allem war, begannen bald Ausgrabungen, die bis heute fortgesetzt werden. Diesen Ausgrabungen fallen immer wieder palästinensische Häuser zum Opfer, dabei ist es wissenschaftlich gar nicht belegt und höchst umstritten, dass hier wirklich Funde aus dem biblischen Zeitalter in Bezug zur jüdischen Kultur gemacht werden können. Somit sind dieses Ausgrabungen eigentlich ein Politikum. Daher hatte ich auch keine Lust, sie anzuschauen, sondern ging vorbei und durch das Dungtor und wieder die Treppen empor ins jüdische Viertel.

Auf diesen wurde ich heute angesprochen, woher ich komme und ob ich Jüdin sein und ob es in Deutschland überhaupt noch Juden gebe?
Ich setzte mich für einen kleinen Snack in ein Café im jüdischen Viertel und konnte nun auch hier die Freitagsstimmung spüren. Der Shabbat nahte.
Nach der Stärkung schlendert ich durch die Gassen und ins christliche Viertel und dann zur Grabeskirche. Ich hatte in einem Reiseführer eine Plan der Kirche entdeckt und wollte diesen nun in ihr ablaufen, um wirklich alle Stätten zu entdecken und auch das ganze zu durchschauen.

Also machte ich mich ans Werk und flitzte kreuz und quer durch die Kirche. Manchmal saß ich ziemlich lange auf den ein oder anderen Mauervorsprung, um die Gelegenheit für ein Foto ohne Menschenmassen zu bekommen. Besonders beeindruckend war es für mich, als die griechisch-orthodoxen und die Franziskaner zur gleichen Zeit ihre Gottesdienste abhielten, aber jeder in ihrem Teil der Kirche. Die Franziskaner kamen dann heraus und pilgerten zum Grab Jesu und wieder zurück. Danach liefen zwei Mönche mit Weihrauch mehrmals die ganze Kirche ab, was viele Menschen zum Husten brachte.
1. Salbungsstein: hier soll der Keichnam Jesus’ für die Bestattung vorbereitet worden sein.

2. Kapelle der vierzig Märtyrer und Glockenturm

3. und 4. Johanneskapelle und Babtisterium und Jakobskapelle

5. Stelle der drei Marien – armenisch orthodox: einer meiner Lieblingsorte in der Kirche, nur etwas krass mutete es an, dass regelmäßig einer kommt und alle Kerzen, wenn das Ding voll ist grabscht und in eine Mülltüte wirft…

6. und 7. Kapelle des Engels und Heiliges Grab: hier ist immer das meiste los, die Leute stehen an, um in das Grab zu gehen. Immer sechs Leute auf einmal werden rein gelassen, dürfen kurz drin sein und werden dann wieder rausgejagt, damit die nächsten rein dürfen. Während der Gottesdienste war das Grab nicht zugänglich und dafür sind die Gläubigen mit Kopf und Oberkörper durch ein kleines Loch an der Seite gekrochen, um Fotos zu machen.Viele stehen auch nur mit einer Hand oder dem Kopf an die Steine gelehnt und beten.

8. Kapelle der Kopten: Ich kam kaum durch zur Kapelle, da hier die Schlange der Wartenden langgeht.

9. Kapelle der Jakobiten- syrische orthodox: mein absoluter Lieblingswort in der Kirche und mein Lieblingsaltar ever!

10. Grab des Joseph von Aremathia: beim ersten Besuch waren keine Kerzen an, beim zweiten ja und die Gläubigen sind hineingekrochen und haben gebetet.

11. Franziskanerkapelle – katholisch: ich bin bei beiden Besuchen nicht hineingegangen, da hier immer irgendwas los zu sein scheint, ein Gottesdienst nach dem anderen.

12. Altar der Maria Magdalena – katholisch

13. Bogen der Jungfrau

14. Gefängnis Christi – Kapelle griechisch orthodox: hier soll Christus gefangen gehalten worden sein vor seiner Kreuzigung

15. Longinuskapelle – griechisch orthodox (das Foto war leider zu verwackelt)
16. Kapelle der Kleiderverteilung – armenisch orthodox

17. Helenakapelle – armenisch orthodox: eine Etage tiefer liegend herrscht hier eine ganz andere Stimmung, sehr offen und hell, während der Rest der Kirche eher immer Dämmerlicht liegt und verwinkelt ist.

18. Krypta der Kreuzauffindung (katholisch): sie liegt noch einmal eine Etage tiefer und auf dem Stein rechts sollen mehrere Kreuze gelegen haben und man ging davon aus, dass eines der Kreuze das von Jesus ist. Also haben sie die Kreuze neben einander gelegt und auf jedes einen Toten. Bei einem Kreuz stand der Tote wieder auf und das war dann das Kreuz von Jesus … so die Sage.

19. Mittelalterlicher Kreuzgang (hinter der Tür nehme ich mal an): viele Bereiche der Kirche sind nicht zugänglich, da sie gleichzeitig als Kloster für die verschiedenen Glaubensrichtungen fungiert und dort eben die Mönche wohnen.

20. Kapelle der Beschimpfungen: die Menschen, die zu dieser Kapelle gehen, legen meist ihren Kopf mit einem Ohr auf den Altar und lauschen – vielleicht wollen sie die Beschimpfungen hören?

21. und 22. – griechisch orthodox und ehemalige Gräber von Gottfried von Bouillon und Baldwin I.: die zwei Sachen sind unter der Golgatha-Empore. Es war aber so voll hier, dass ich das nicht wirklich durchschauen geschweige denn fotografieren konnte.

23. Kreuzigungsaltar und Stabat-Mater-Altar – griechisch orthodox: damit sind wir auf Golgatha. Um hierher zu kommen geht man eine von zwei sehr steilen Treppen empor. Einmal verlor eine Frau beim Heruntersteigen ihren Halt und rutschte dann auf ihrem Hintern hinab, was sehr schmerzhaft aussah. Hier oben gibt es zwei Altare, dieser ist einer davon. Hier soll Christus gekreuzigt worden sein. Unter dem Altar befindet sich eine Vertiefung, in der sein Kreuz gestanden haben soll. Die Menschen stehen an, um sich davor zu knien und den Ort zu küssen. Bei meinem zweiten Besuch war hier ein sehr resoluter Mönch, der vor sich hin schimpfend die Leute hierhin und dorthin geschickt hat und sie ausgeschimpft hat, als sie anfingen laut zu singen, damit er die Absperrung aufmacht. Die ganze Empore ist einer meiner vier Lieblingsorte. Die Stimmung ist hier irgendwie dichter, nicht nur wegen der vielen Menschen und zudem kann man wunderbar von hier auf verschiedene Teile der Kirche herunterschauen. Und es ist wirklich immer irgendwas los.

24. Kreuznagelungsaltar – katholisch: wie aufmerksame Beobachter vielleicht mitbekommen haben, ist jede Station, die Jesus zu seinem Tod und zur Auferstehung hinter sich brachte nun ein heiliger Ort. Der zweite Altar auf der Empore ist nun dieser und hier wurde er wohl ans Kreuz genagelt. Der oben erwähnte Mönch fuchtelte auch nur in seinem Teil herum und obwohl dieser Altar wirklich direkt daneben liegt, kümmerte er sich darum, was dort geschah gar nicht.

25. Michaelskapelle: auch wenn hier keine Glaubensrichtung genannt wird, schien es mir, dass diese Kapelle fest in äthiopischer Hand ist. Hier hatte ich nun nämlich endlich den Weg zum äthiopischen Dorf auf dem Dach der Grabeskirche gefunden. Erst geht man durch den kleinen Eingang und kommt an einen Altar hinter Gittern. Daran vorbei geht es eine steile, schmale Treppe hinauf in die Kapelle, die auch an der Seite von einem Gitter begrenzt wird. Sowohl unten als auch oben saßen Äthiopier. An dem Gitter vorbei gelangt man zu einer Tür und durch diese hindurch auf das Dach. Hier hängt dann Wäsche und stehen Menschen im Gespräch. Es wirkt ruhig und abgeschieden, wie in einer anderen Welt.



26. Johanneskapelle – armenisch

27. Abrahmaskapelle

28. Kapelle der Schmerzen – Kapelle der ägyptischen Maria

29. Grabmal des Philippe d‘Aubigny

30. Lareinischer Chor – katholisch: das ist der Bereich zwischen dem Grab Christi und dem Griechischen Chor
31. Nabel der Welt – Marmorschale: bei meinem ersten Besuch war ich auf der Suche nach dem Nabel der Welt, weil ich schon allein die Vorstellung davon, dass es den in echt gibt so abgefahren fand. Nur den Nabel fand ich nicht, das heißt, ich fand ihn schon und wunderte mich, warum alle so ein Getue um dieses komische Ding machen. Seit dem zweiten Besuch weiß ich nun: das ist der Nabel der Welt! Und ich war da!

32. Griechischer Chor: der Nabel der Welt steht mitten in diesem und dieser Raum scheint der größte in der Grabeskirche zu sein.

Als ich schließlich wieder aus der Grabeskirche heraustrat, tat ich das mit Bedauern. Ich wäre gern jeden weiteren Tag hier vorbei gekommen. Mir wurde erzählt, man kann sich sogar über Nacht einschliessen lassen!!!
Ich schlenderte dann ins muslimische Viertel und setzte mich zum Essen hin.

Da es nicht mehr lang hin war bis drei Uhr lief ich die Via Dolorosa hinunter und setzte mich an eine ihrer Ecken ziemlich am Anfang und beobachtete das Strassenleben. Direkt vor mir stand ein junger Mann, der Obst verkaufte und dies immer wieder und wieder laut kundtat. Neben ihm saßen Marktfrauen, die Sonnenblumenkerne und Datteln verkauften. Auf der anderen Strassenseite war einer der vielen Saftstände, wo ununterbrochen Orangen und Granatäpfel ausgepresst wurden. Mir gegenüber standen mehr Polizisten und Polizistinnen als sonst, gemütlich im Gespräch vertieft. Immer wieder fuhr hupend eines dieser kleinen Gefährte vorbei, die sich hier überall durch die Straßen schlängeln.

Und schliesslich ging es los. Ein bunte Gruppe von Menschen, angeführt und eskortiert von Mönchen kam die Via Dolorosa entlang und hielten an jedem wichtigen Ort des Leidensweg von Jesus inne und beteten und sprachen und sangen. Leider trug diesmal keiner eines der Kreuze, die man sich am Beginn der Strecke ausleihen kann. Dafür war ein Mann dabei, der barfuß und wie Jesus gekleidet mit der Gruppe mitging.

Und dann verlies ich ein letztes Mal die Altstadt und lief durch das Damaskustor. Da aufgrund des Shabbat die Tram nicht fuhr, lief ich den Weg wieder zurück zur Wohnung.

Dort machte ich mich dann ans Packen und um vier ertönte eine laute Sirene, die den offiziellen Beginn des Shabbat ankündigte.
Abreise
Den letzten Vormittag verbrachte ich dann spielend mit den Kindern. Schließlich war es Zeit Auf Wiedersehen zu sagen. Da ja immer noch Shabbat war, fuhr der Zug nicht und meine Gastgeberin hatte mir ein Nesher – ein Sammeltaxi bestellt. Das kam dann auch mit einer Viertelstunde Verspätung und brachte mich und die neun anderen Mitreisenden zum Flughafen.
Hier gab es gleich zu Beginn noch einmal eine Befragung: wie war der Urlaub? War es der erste Aufenthalt hier? Haben Sie ein bisschen Hebräisch gelernt? War der Rucksack die ganze Zeit bei Ihnen? Haben Sie Geschenke mitbekommen? Haben Sie scharfe Gegenstände dabei? Als ich dem Sicherheitsmenschen meinen Pass reichte und er ihn durchblätterte, meinte ich, dass da nix drin sei, da er ganz neu ist. Daraufhin nahm er ihn und ging weg… kam dann wieder und ließ mich weiter.
Direkt hinter ihm gab es dann eine erneute Kontrolle von Pass und Bordkarte und dann ging es zum eigentlich Sicherheitscheck. Hier wurden erneut Pass und Bordkarte kontrolliert und danach noch einmal der Flug erfragt und in eine Liste eingetragen. Beim eigentlich Check brauchte ich zwar nicht meine Waschtasche zeigen – das interessierte die gar nicht – aber alle elektronischen Geräte, auch Aufladekabel und Kopfhörer wurden gecheckt und sämtliche Taschen am Rucksack geöffnet und mit so einem Gerät abgesucht.
Zudem wurde auch noch einmal der Pass kontrolliert. Nachdem ich durch das Sicherheitsding gelaufen bin, gab es dann noch eine extra Schuhkontrolle und dann war ich erstmal durch.
Als es dann zum Flieger ging, musste ich noch einmal Bordkarte und Pass zeigen und dann waren die Kontrollen fertig!

Eigentlich hatte ich im voll besetzten Flieger einen Mittelplatz, doch der Mann am Fenster bot mir netterweise seinen Fensterplatz an und so konnte ich sehen, wie wir Wien überflogen.

Als ich dann das Flugzeug verließ und mich nochmal bei meinem Sitznachbar bedankte, sagte: ‚Ach nicht dafür‘ und dieser Satz bereitet mir in letzter Zeit immer Freude!
Am Flughafen wurde ich dann von meiner lieben Kollegin-Freundin abgeholt – mit kleinen Schwierigkeiten. Während ich freudig aus der Tür stürmte, um in ihre Arme zu fliegen, stand sie mit Kerze und Sekt (wegen Geburtstag und so) ein paar Eingänge weiter und wartete… die Wiedervereinigung, das Anstoßen und Kerze auspusten gab es dann mit viel Gelächter draussen…
Wir gingen dann noch was essen und trinken im Burgeramt und halb zwei oder so war ich zu Hause und damit am Ende meiner Reise.
Ich habe mich übrigens nicht einmal unsicher oder ängstlich gefühlt auf dieser Reise (bis auf den Moment des Angrabschens, aber das hat ja nichts mehr der politischen Situation des Landes zu tun). Es ist ein hoch kompliziertes Land oder besser gesagt Situation, aber als Tourist, der sich einigermaßen achtungsvoll den Gebräuchen gegenüber verhält, ist es ein wirklich schönes und gastfreundliches Land und ich werde gerne wiederkommen und noch die anderen Orte von Jerusalem, die ich sehen wollte aber auch noch die anderen Städte und die Meere entdecken!

Meine schönsten Erlebnisse in Jerusalem waren:
1. Ganz klar die Grabeskirche
2. Der Ausblick ins Hinterland am Mount Skopus 3. Der Rundgang auf der Stadtmauer