Ole Wagner: Der Schimmelwriter

(aus der Serie „small parts isolated and enjoyed“)

KÄFIG.

DRINNEN: LÖWE.

DRAUSSEN: PETER

Löwe brüllt: „Was wirfst du mir vor?“

Peter flüstert: „Fleisch. Es ist noch früh.“

Löwe brüllt: „Rooooooaaah!“

Peter nickt: „So roh wie das Leben.“

Löwe flüstert: „Ich hoffte, die Wut täte mir wohl. Aber sie frisst mich.“

Peter sagt: „Das kenne ich gut. Oh, wie das nagt.“

Sie teilen das Fleisch und weinen.

GEMEINSAM EINSAM

Peter ist unruhig, er geht auf den Friedhof. Es ist ein Friedhof in Berlin. Der Eingang wird überschattet von einem Torbogen. Darauf steht geschrieben: „Die wichtigsten Lyriker sind hier vergammelt.“ Allein von der Anzahl der Gräber her könnte das sogar stimmen. Genau weiß man es nicht. Peter köpft eine Flasche Sherry und ergießt sich darin. Der Effekt: zunächst Wärme, dann Angst, dann ängstliche Hitze und schließlich Wahnsinn. Eben das, was man so Wahnsinn nennt in Zeilen wie diesen. Am Abend, als der Friedhof zugeschlossen wird, damit niemand Mist baut, geht Peter nach Hause. Aber es ist gar kein richtiges Haus, sondern ein Zimmer. Da wird alles noch schlimmer.