KARSTADT AM HERMANNPLATZ

Während sie sich mit dem Verkäufer berät, ob persönliche oder 
allgemeine Gründe die Kasse veranlasst haben, ihre EC Karte
abzulehnen, spürt sie den Drang aufs Klo zu gehen.
Sie macht sich auf den kleiderständerverzweigten Weg zur 
Kundentoilette, registriert dort angekommen dankbar, dass sie 
sich nachher nicht um 30 Cent ärmer oder aber mit schlechten 
Gewissen aus dem Klo schleichen muss, da die Klodame durch 
Umdrehen des Schälchens ihren Feierabend signalisiert hat.
Im privaten Sèparèe wischt sie die potentiellen Nachkommen mit 
billigen Toilettenpapier aus ihrer Unterhose.
Sie hat die gesamte Damentoilette für sich.
Aus den Lautsprechern säuselt eine Herrenstimme und sie beschließt, 
noch etwas sitzen zu bleiben und die Stille in dieser Zwischenwelt 
zu genießen.
Der Behälter für die gebrauchten weiblichen Hygieneartikel zieht ihre 
Aufmerksamkeit auf sich. Durch wundersame Sensortechnik läßt er sich 
ohne Berührung öffnen. Wie fantastisch!
Alles, was an Dreck aus uns herauskommt, kann durch Handwedeln spurlos 
beseitigt werden. Es lebe der Sieg der Hygiene!
Nachdem sie mit Wedeln per Hand, Mund, Auge und Ohr jedesmal das 
erwünschte Ergebnis herbeigeführt hat, schreibt sie noch einige sms, 
betätigt die sensorfreie Spülung, zieht die Hose hoch und richtet sich 
vorm Spiegel ein wenig her.
Als sie auf die Straße tritt, ist sie im Nu erschlagen von 
Kindergeschrei und Sirenengeheul.
Sie schlängelt sich durch all die Menschen, die aus irgendeinem Grund 
hierhin oder dorthin wollen und wartet an der nächsten Haltestelle 
auf den Bus.

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