Peter Høeg: Der Plan von der Abschaffung des Dunkels 

„Ich hätte es nicht entdeckt ohne Katharina. Auch wenn wir recht wenig miteinander gesprochen hatten, besonders die letzten Wochen. Doch sie hat etwas gesucht. Wenn man einem Menschen begegnet, der sucht, verschiebt man das Aufgeben.

Da war auch noch August, er hatte ein sehr schlechtes Gedächtnis. In den ersten beiden Wochen hatte er sich nicht einmal melden können. Man empfand es als notwendig, ihn zu stützen. Wenn man andere stützen will, muß man sich selbst aufrechthalten.“

„Man war wie in einem Käfig, und die Wände rückten näher, und alle Türen waren geschlossen. Humlum und Axel Fredhøj hatten schon seit langem aufgegeben, und auch viele andere, die man gekannt hatte. Und oft war man selbst nahe daran. Trotzdem hatte ich durchgehalten, länger als die meisten, ich hatte mein Bestes getan. An der Erziehungsanstalt, als ich zum ersten Mal von der Weide hatte springen müssen, kurz nachdem ich gekommen war und sie lange gewartet hatten, bis sie mich rauszogen, war ich nahe daran gewesen, es dabei zu lassen und das Wasser einzuatmen. Damals hatte ich jedoch gedacht, daß man am Ende wieder ans Licht kommen würde. Dieses Gefühl der Sicherheit hatte man nicht mehr.

Ich sah mich um, um ein letztes Mal zu versuchen, die Gedanken hier im Raum zu halten. Ich sah August, er saß neben Fredhøj, zusammengekauert.

Es war noch zu früh, um loszulassen. Man hatte ihm noch nicht geholfen. Ist man größer als ein anderer Mensch und weniger zart und kann es ertragen, geschlagen zu werden, und hat den großen Plan gespürt, dann muß man jemandem helfen, der kleiner ist als man selbst.

Ich sah mich im Käfig um, alle Türen waren geschlossen. In meiner Qual dachte ich an Jesus.

Gott hatte man sich immer vorgestellt wie Biel. In der Regel war er fern. In der Regel beschäftigte er sich mit dem Größten und dem Kleinsten. Wie dem Himmel oder einer Nessel. Nur selten wandte er sich einem persönlich zu. Und dann in der Regel, um zu strafen.

Jesus hatte ich mir bis jetzt wie Fredhøj vorgestellt. Zwischen einem selbst und der höchsten Macht, Biel und Gott, mußte gewissermaßen ein Übergang sein, ein Berichterstatter, Fredhøj und Jesus.

So war es überall gewesen. Zuoberst der Rektor oder Vorsteher, zwischen ihm und dem Rest der Schule eine Vizevorsteher. Das war ein Gesetz. Vielleicht ein Naturgesetz.“