Es gab drei Dinge, die mir auf dem Hof meiner Kindheit Anerkennung
verschafften.
Zwei Sätze und ein Geschehnis.
Der erste Satz lautete:
"Wenn du mich weiter ärgerst, hole ich meinen großen Bruder."
Die Tatsache, dass mein großer Bruder größtenteils nicht da war,
wurde aufgewogen durch den Umstand, dass groß im Falle meines Bruder wirklich groß, also annähernd zwei Meter bedeutete.
Und für achtjährige Steppken ist das, ob nun gerade wirklich da oder nicht, riesig.
Das Geschehnis brachte mir Anerkennung in einer Form, die ich später noch oft erfahren sollte - im Blick der anderen Kindern lag seitdem
eine Mischung aus Irritation, Angeekelt-Sein und schnell in Neid
umschlagen könnende Bewunderung:
Ich hatte mich beim Versteckspiel in der Mülltonne versteckt.
Das war`s! Ein ganz banaler Satz in diesem Text.
Für mich war es ein geniales Versteck, denn wer sucht schon in der
Mülltonne. Die einzige Einschränkung war, dass ich mich nicht frei
schlagen konnte, sondern auf vogelfrei warten musste.
Für die Kinder auf dem Hof war es aber ein Ereignis, von dem sie
ihren Eltern erzählten.
Zugegeben, die Mülltonne war nicht ganz leer und roch widerlich (ich danach auch), das mag den Ekel erklären.
Ansonsten schien ich mich aber mit diesem Wagnis ausserhalb der
damaligen Grenzen des "Wir spielen" bewegt zu haben.
Nun gut.
Der zweite Satz lautete:
"Ich habe meine ersten drei Lebensjahre in Afrika, Maputo verbracht."
Oh Boy, das klang soviel besser als:
"Ich kann Karate."
Was muss dieser Satz nur für Bilder bei meinen Freunden und Feinden hervorgerufen haben.
Die Normalsterblichen dieses Landes waren von einer Mauer umgeben, die schon Hamburg jenseits des Randes der Welt rutschen lies.
Leben in Afrika glich leben auf dem Mars.
Ich kostete diese Moment auf dem Hof unsagbar gierig aus.
Als ich bemerkte, dass ich damit ein-,zwei- höchstens dreimal die
Aufmerksamkeit der anderen gewinnen konnte, erzählte ich dazu
Anekdoten, die ich über mich gehört hatte.
"Ich habe die ersten drei Jahre meines Lebens in Afrika, Maputo
verbracht und dort immer aus Blumenvasen und Pfützen getrunken und
aus dem Hundenapf gegessen."
Da war er wieder, der Mülltonnenblick in den Augen der anderen,
gefolgt von Unglaube.
Also musste ich es beweisen.
Leider waren die Pfützen in Berlin Mitte wohl nicht vergleichbar mit denen im Maputoer Botschaftsviertel.
In jener Pfütze, welche die Kinder für mich aussuchten, leuchtete es farbig von Trabiöl, aber ich trank ganz mutig ein paar Schlucke.
Letztendlich hatte der Junge, der Karate konnte vielleicht doch mehr von seiner Besonderheit als ich.
Er musste sie nur beweisen, indem er nach Belieben Kinder auf den
Boden warf und dabei betonte:
Ich darf das nur zur Selbstverteidigung nutzen!
Streu es in die Welt hinaus!
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