TRAUER

In den letzten Tagen habe ich über Trauer nachgedacht. Über Trauer an sich und über meine Trauer.

„In stiller Trauer“ wird auf diesem Blog in „In lauter Trauer“ umgewandelt. Neben der Zweideutigkeit des so Ausgesprochenen bewegt mich auch die Wahrhaftigkeit des selben.

In den letzten Tagen habe ich über mich erfahren, dass ich eine Trauer-Biografie habe. In verschiedenen Lebensaltern und -phasen erfuhr ich verschiedene Arten von Trauer und Schmerz und ging verschieden mit ihnen um. Ich füge hier Schmerz zu, denn Trauer geht bei mir einher mit Schmerz.

Im oben genannten Blog geht es um die Trauer nach dem Verlust eines geliebten Menschen. So verschieden mein Umgang mit der Trauer war, so verschieden waren auch die Anlässe. Immer gleich jedoch ist dieses Gefühl der Leere in Bauch und Brust, dieses Fehlen von Luft und Raum zum Atmen, das Abhandenkommen von Kraft und Lust für und auf irgendwas, das völlig Überrollt-werden von der Empfindung.

Ich erinnere nicht, als Kind wirklich tief traurig gewesen zu sein. Andererseits habe ich vor ein paar Jahren entdeckt, dass ich viele Gefühle, auch Trauer, geschickt verdrängen kann und verdrängt habe.

Ich hatte so eine Art Sabbatjahr, eine Interimszeit und es brach sich vieles, vieles seine Bahn an die Oberfläche. Das war nicht unbedingt schön aber durchaus befreiend und heilend.

Und die Trauer, die da kam, war nur selten still. Sie war eher ein wütender Dämon. Ich war nicht still, ich war laut, so laut, wie noch nie in meinem Leben. Und es war keine Verzweiflung, die kenn ich auch, fühlt sich aber anders an. Es war Trauer – viele Jahre lang aufgesparte, verschwiegene Trauer.

Eine ganze Zeit lang war mir nicht klar, ob ich da wieder herauskommen werde und ich denke heute, dass es auch eine knappe Sache war. Aber das ist ja das unbegreiflich Schöne am Leben: wenn man es nur aushält, am Leben zu sein, dann geht es weiter, Schritt für Schritt vorwärts, immer in Bewegung, nichts bleibt immer gleich oder steht ewig still.

Und nun, sieben Jahre später bin ich nach wie vor und bin mehr als ich je war, denn alles kann zugleich sein in mir: Trauer, Freude, Wut, Verzweiflung, Quatsch, Nonsens, Liebe, Ehrfurcht … Nichts soll verdrängt werden – es ist ein Prozess, ich lerne immer wieder mehr über mich und meine Art und meine Einseitigkeiten und welchen Raum und welche Zeit ich den Dingen, Menschen, Empfindungen, Gedanken geben will ohne zu Verdrängen, aber dennoch mit dem Grundgefühl: „Ich bin der Herr in diesem Haus!“

Das, was ich  lernen möchte, ist, laut zu sein in allem. In meiner Trauer, in meiner Freude. Dieses „sich zusammenreißen“ bin ich so leid, kann es nicht mehr ertragen und will auch kein Teil davon sein.

Laut auf der Strasse singen, wenn ich Lust dazu habe, offen weinen, wenn ich traurig bin, wütend Leute anfunkeln, wenn mir danach ist und Lachen, auch wenn ich den Gegenüber nicht kenne.

Ich glaube, mein Leben wird dadurch reicher, lebendiger, erfüllter – und das der anderen wahrscheinlich auch!

 


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