Neulich im Bus – verwirrte Gedanken

Neulich hatte ich im Bus ein mich nachdrücklich beeindruckendes Erlebnis. Durch die aktuelle BVG Werbung „Zimmer für 66,40 warm“ oder so verstärkt sich das Ganze noch.

Also, das war so:

Wir steigen in den Bus ein und mein „Ich bin ein Berliner – ich kenn ma aus – Blick“ entdeckt sofort: ein Penner. Also die Mitbewohner daran vorbei bugsiert, fahrtwindmäßig die richtige Seite gewählt und Vorhandensein des Penners vergessen. Nun hatte ich das Pech neben einer Mutter mit ihren Töchtern (Anfang 20 und so 14) zu stehen, die die Anwesenheit des Penners nicht vergessen sondern zur Gänze auskosten wollten. Sie unterhielten sich mit permanent angeekeltem Blick über die Frechheit dieses Menschen, sich in dem Bus aufzuhalten, in dem sie fahren. Sie waren wie die Stiefmutter und ihre Töchter bei Aschenputtel – echt jetzt! Sie sprachen davon, welche Haltestangen sie angefasst hatten und ob sie Gefahr liefen, die gleiche berührt zu haben, wie dieser Mensch. Sie planten, welche Stangen sie beim Herausgehen auf keinen Fall berühren dürften. Die ältere Tochter erzählte, dass der Arzt ihr schon verboten hat, sich so oft die Hände zu waschen, weil sie ihre Hände wund gescheuert hatte – aber wie soll man nur all den Dreck abbekommen!!! Sie redeten mit sehr herablassendem Blick von diesem Menschen und dass er wahrscheinlich selbst schuld daran ist, jetzt so zu stinken und so auszusehen. Menschen, die sich in der Nähe dieses Mannes aufhielten, wurden auch gleich mit in die Schublade geworfen und Fragen aufgeworfen, ob sie denn nicht wüßten, wie gefährlich es in der Nähe dieses Mannes ist. Das ging so – ungelogen – mindestens 20 Minuten. Und ich hätte so gerne etwas gesagt und habe es nicht.

Zum einen, hatte ich mich ja selbst, so weit wie möglich von dem Penner entfernt. Ganz routinemäßig, so macht man das halt in der Stadt. Man nimmt sie wahr, versucht möglichst wenig Kontakt zu haben und vergißt sie wieder.

Zum anderen war  mir klar, dass, egal was ich sage, es diese drei nicht erreichen wird. Sie waren völlig überzeugt von ihrer Rechtschaffenheit und das sie niemals in solch eine Lage kommen würden.

Dann ertappte ich mich, es ihnen zu wünschen und fühlte mich auch nicht besser dabei.

Dann bemerkte ich, dass wenn ich mich besser als die drei empfinde, ich nicht besser bin, da sie sich auch als besser als der Penner erlebten.

Nun ja… ihr bemerkt: es verwirrte mich und der Leitfaden: das ist gut, das ist böse – so handelt man und so nicht, verwickelte und verstrickte sich.  Nun denkt ein Teil in mir immer wieder drüber nach, um für das nächste Mal eine Handlungsperspektive zu haben. Ich bin gespannt und werde berichten, was dabei herauskam.

Wie geht ihr mit solchen Situationen um?

 

 

(Quelle Beitragsbild hier)


7 Gedanken zu “Neulich im Bus – verwirrte Gedanken

  1. Öffentliche Busse sind halt öffentlich, also für alle: für Nörgler und Propere, für Penner und für uns mit dem sensiblen Gewissen und der feinen Geruchsnerven. Nach der Benutzung des Omnibus (lat: „für alle“) sortieren wir uns wieder auseinander – ein jeglicher geht an seinen Ort. (Auf dass er sich schätzen ließe?)

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  2. Ein sehr guter Text, in dem ich mich selbst erkenne. Im Grunde sehr ich es wie Arno. Setzte mich aber auch immer ein großes Stück abseits. Das lautstarke Urteilen empfinde ich als unangebracht (niemand weiß was diesem Menschen in die Situation gebracht hat) und auch arrogant und gemein.

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  3. Ich denke dann immer, „Mensch, du bist auch nur ein paar Klicks davon entfernt und nur bloßer Zufall hält dich in der Welt am Leben!“ Mir tun diese Menschen grundsätzlich leid, weil dahinter eigentlich immer harte Schicksale stehen und iemand hat das Recht darüber zu urteilen.

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