Über die Feiertage besuche ich die Große in England, wo sie in einer Camphill-Einrichtung arbeitet.
Die Einladung lautete in etwa so: Du kannst gerne kommen und bei mir Weihnachten feiern, aber natürlich nur, wenn du nicht mit dem Flugzeug kommst.
Mit 16 bin ich schonmal mit dem Bus gemacht London gefahren, allerdings fuhr der Bus durch.
Die jetzige Reiseplanung sah so aus: mit einem Flixbus nach Amsterdam, knappe zwei Stunden Aufenthalt dort, mit dem nächsten Flixbus nach London und dort dann einen Bus suchen nach Ringwood.
Am Montag vor Weihnachten ging es also um 11:15 vom ZOB los.

Ich hatte einen Sitzplatz am Fenster und neben mir einen Platz frei. Mein Koffer war im Bus verstaut und mein Rucksack voller Essen war bei mir… also es konnte losgehen.
Und das ging es auch… das WLAN war grottig, aber ich hatte mir ein paar Sachen runtergeladen. In Osnabrück machten wir halb vier eine Pause und bei einem Denn‘s holte ich mir einen Kaffee. Dann ging es weiter und weiter und weiter.

Schließlich näherten wir uns Amsterdam und mein Sitzfleisch freute sich riesig auf die baldige Chance sich zu erholen.

Das erste was ich in Amsterdam roch, war… na was schon…
Ich ging dann in den Bahnhof neben der Busstation, erst auf Toilette und dann setzte ich mich zu all den andern Wartenden und aß zu Abend. Kurz vor neun kam dann der Bus, der mich nach London bringen sollte.

Alle Busfahrer waren wirklich supernett und hilfsbereit. Auch in diesem Bus hatte ich Glück und zwei Sitzplätze für mich allein. Bis Mitternacht schaute ich einen Film und dann begann ich in den verschiedensten Schlafpositionen meinen Nachtschlaf. Währenddessen wurde ich durch die Niederlande, Belgien und Frankreich gefahren. Kurz vor vier kamen wir in Calais an und blieben dann da für eine Weile… Zweimal mussten wir alle aus dem Bus raus, durch die Passkontrolle und dann wieder in den Bus rein. Dann dauerte es noch eine Weile, bis wir auf den Zug konnten, der uns durch den Eurotunnel fahren sollte.

Ich hatte ja gehofft, dass wir mit der Fähre fahren würden aber naja… Die Züge sahen ziemlich abgefahren und wie aus einem alten Apokalypsefilm aus und erst hatte ich auch gar nicht klar, was das überhaupt ist und war voll erstaunt, als ich Autos drin rumfahren sah. Kaum war der Bus im Zug und fuhr dieser los, da bin ich auch schon wieder eingeschlafen. Ich schlief dann auch bis kurz vor sieben und unserer Ankunft in London mehr oder weniger durch. Als ich aus dem Bus ausgestiegen war und mich kurz orientiert hatte, wo ich eigentlich bin, war ich schon wieder völlig verliebt in die Stadt und die Leute und die Sprache hier. In der Busstation kaufte ich mir dann einen Kaffee und am Automaten ein Ticket für den nächsten Bus. Das war dann alles einfacher, als ich vorher dachte. Und ging auch schneller, so dass ich den Bus zwei Stunden früher nehmen konnte.


Ich war ja vorher nur immer in London und dies waren meine ersten Live-Eindrücke vom Land an sich. Und wenig überraschend fand ich es sehr, sehr schön.

Kurz nach zehn kam ich dann endlich in Ringwood an und wurde abgeholt von der Großen. Es war so schön, sie wieder zu sehen und vor allem, von ihr in „ihrer“ Welt empfangen zu werden. Wir gingen zu erst einmal in ein kleines Café und es fühlte sich alles so herrlich englisch an.

Mit Quatschen über dies und das und Mitbringsel verteilen verging einige Zeit und gegen Mittag gingen wir zu meinem Airbnb-Zimmer am Rand der Stadt. Die Vermieter sind sehr, sehr nett und mein Zimmer ist klein aber fein.

Ich packte kurz etwas aus, putzte Zähne und zog mich um und dann gingen wir zur Lantern Community, in welcher die Große seit September und dann insgesamt für ein knappes Jahr als Co-Worker arbeitet. Der Weg war und ist so unglaublich schön. Es hatte ziemlich viel geregnet in der letzten Zeit und der Fluss hatte alles überschwemmt. Es ist so richtig Jane Austen Stimmung hier.

Und so viele atemberaubende Bäume stehen hier. Es sind eigentlich nicht groß andere als in Deutschland, aber da sie so alt sind und anscheinend in keinster Weise beschnitten werden, haben sie etwas Wildes und Urtümliches an sich.

Ich schaute mir den Lebensort der Großen an und egal, wen ich traf, alle schwärmten von ihr, was natürlich schön zu hören war. Ich werde in einem anderen Beitrag mal noch mehr schreiben über diese Gemeinschaft.


Am Abend wurde dann eine Art Krippenspiel aufgeführt von den Companions und den Co-Workern zusammen. Ich half ein kleines bisschen beim Vorbereiten und genoss dann das Spiel und all die Menschen um mich her.
Ich hatte bisher immer große Scheu vor Menschen mit Behinderungen und wusste nicht, wie ich mich verhalten sollte in ihrer Nähe. Ich war daher gespannt, ob sich durch das “New Me” da etwas verändert hätte und wirklich, ich konnte viel offener und herzlicher auf alle Menschen zu gehen. Und letztendlich machte es keinen Unterschied, ob es ein Companion oder ein Mitarbeiter war. Alle waren sehr herzlich und offen und es wurde viel geredet und viel gelacht.

Anschließend gingen wir in das Haus, in welchem die Große wohnt und hatten dort White Souper. Alles war festlich gedeckt und die Kerzen am Weihnachtsbaum brannten. Es gab belegte Brote und Brötchen und sogar an mich als Veganerin wurde gedacht.
Nach dem Souper ging ich durch die Dunkelheit zu meinem Zimmer zurück, was so eine halbe Stunde Weg ist. Ich war sehr glücklich und erlebte es als wunderschönen Weihnachtsabend. Das hier der Chrismas Eve ohne Geschenke gefeiert wird, birgt die Möglichkeit in sich, etwas anderes als den Kommerz zu erleben… es geht wirklich um das Beisammensein. Und das Ganze in dieser Gemeinschaft und auch mit den Companions zu erfahren ist sowieso etwas ganz anderes, als ich bisher kennengelernt habe aber so bereichernd und warm.
Es war schön, durch das weihnachtlich erleuchtete Ringwood zu laufen. Vor der Kirche spielte eine Blaskapelle Jingle Bells und Merry Christmas. Auf der Strasse riefen sich die Menschen, die zahlreich unterwegs waren, Merry Christmas, zu und die Stimmung war sehr heimelig.


Im Zimmer war dann nicht mehr viel los… ich aß etwas zu Abend, bastelte meinen Rückblick und schaute Serie und war einfach froh, in einem Bett zu liegen und schlafen zu können.
